„Und wann haben Sie das letzte Mal eine Kirche von innen gesehen?“ Diese unangenehm zudringliche Frage können 25 Schüler der 12. Jahrgangsstufe des Georg-Wilhelm-Steller-Gymnasiums jetzt locker parieren: Sie besuchten nämlich im Rahmen einer Architekturexkursion des Faches Kunst zusammen mit ihrem Kunstlehrer Herrn Rießbeck am 8.11.2018 die beiden großen Nürnberger Stadtkirchen St. Sebald und St. Lorenz.
Damit Fachbegriffe wie „Kreuzrippengewölbe“, „Wimperg“ und „Fiale“ nicht bloß leere Worthülsen bleiben, lag es im wahrsten Sinn des Wortes nahe, die herausragenden Architekturmonumente der benachbarten Großstadt aufzusuchen, um das spezielle Raumgefühl der Romanik und der Gotik im dreidimensionalen Original statt nur in der flachen Abbildung zu erleben. Für viele Schüler war es der erste Besuch dieser großartigen Baudenkmäler, die die Summe der technischen und künstlerischen Fähigkeiten ihrer Epoche manifestieren. Und mit Sicherheit war es kein Spaziergang für die Oberstüfler, denn die stundenlange Beschäftigung mit stummem Stein in kalten Kirchen klingt erstmal wenig verlockend.
Aber wer mehr weiß, sieht auch mehr. Und wer sich die Augen öffnen lässt, diesmal z.B. durch die engagierten Referate vor Ort von Nina Kirchberger, Niklas Isert und Anna-Lena Pesch zu Sebaldusgrab, Engelsgruß und Sakramentshäuschen, der wird belohnt mit Einblicken in eine Kunst, die auch heute noch hohen Erkenntnis- und Unterhaltungswert haben kann: Das schockierend von Maden und Kröten zerfressene Hinterteil des „Fürsten der Welt“ vergisst man nicht so schnell. Und die Erkenntnis, dass gotische Chorabschlüsse in Bruchzahlen angegeben werden, wird vielleicht versüßt durch die Tatsache, dass sich im würdigen 5/8-Chor der Sebalduskirche eine lustige Horde heidnischer Nackter tummelt: verspielte Engelchen und muskulöse antike Helden bevölkern den Sockel des berühmten Sebaldusgrabs.
Mit einem kurzen Ausblick auf moderne Architektur in einer alten Stadt endete die Halbtagsfahrt vor der eleganten Glasfassade des Neuen Museums Nürnberg. Die Hoffnung bleibt: „Wann haben Sie das letzte Mal ein Museum von innen gesehen?“
G. Rießbeck